Ich bin nicht krank, nur besonders

Als ich 20 war, wurde bei mir eine Depression diagnostiziert. Ich wollte die Krankheit schnell wieder los werden und habe mich auf AntiDepressiva eingelassen.

Aber Depressionen gehen nicht weg, sie sind Teil von einem. Dies habe ich aber erst viel später verstanden.

Ich habe bereits mit 3 Jahren verstanden, dass das Leben endlich ist und das hat mir große Angst gemacht, dazu kam meine Hochsensibilität und so kam das eine zum anderen und mit 20 war ich dann am Ende, ich konnte nicht mehr, ich hatte Angst, war immer müde, konnte nicht schlafen und aufstehen, essen und trinken wurde zur Herausforderung. Ich schaute mir beim Leben zu, kein Lächeln, nichts postitives und keine Kraft mehr um zu Leben. Ich hätte in eine Klinik sollen, aber meine Mom hat die Verantwortung übernommen weil ich gefleht habe nicht dahin zu müssen. Heute rückblickend, was habe ich meiner Mom damit angetan ?? Immer das todkranke Kind um einen herum, auffordern zu essen, zu trinken, aufzustehen und die Angst das Kind könnte evtl. irgendwo Tod liegen ?

Die Tabletten haben relativ schnell gewirkt und ich war ein emotionsloser Roboter, aber ich habe für die Gesellschaft funktioniert. Die ambulante Therapie war wichtig, um überhaupt zu lernen über dieses Problem zu reden, in Worte zu fassen was los ist, was man fühlt. Knapp 2 Jahre brauchte ich um wieder auf die Beine zu kommen, Job weg, Partner weg, Leben weg. Neubeginn bei null. Aber es hat geklappt, alles hat sich gefunden. 4 Jahre später dann der AntiDepressiva Entzug, was für ein Scheiss und eine extreme emotionale Herausforderung. Aber die 4 Jahre war ich nie allein, immer war ein Therapeut an meiner Seite.

Nach dem Entzug lernte ich meinen ersten Mann kennen, aber der Schein trügt, die Depression lauert immer und überall, ich wurde schwanger und die Hormone machten es nicht besser, dann auch noch eine Risikoschwangerschaft, eine Ehe die nicht so lief wie erhofft und diese Scheiss Krankeit. Sylvester stand ich auf einer Brücke und wollte den ganzen Scheiss einfach nur hinter mir lassen. Ich wollte einfach nichts mehr spüren und keine Angst mehr haben und dann machte sich meine Baby bemerkbar und mir wurde klar, hier geht es nicht mehr nur um mich sondern um meine Kind. Mein Sohn gab mir Kraft und einen Grund zu leben und er kann genau so gut kämpfen wie seine Mama, er kam zu früh aber gesund zur Welt.

Als er dann da war, wurde bei mir eine neue Form der Depression diagnostiziert, eine manische Depression. Es geht immer schlimmer. Ich war frisch Mama, die Hormone standen Kopf, meine Ehe war vor dem Aus und meine Krankheit war aktiv. Ich entschied mich für eine neue Therapie aber gegen AntiDepressiva, da ich Angst hatte sonst bei einer Scheidung das Sorgerecht zu verlieren. Ich trennte mich, zog anonym nach Karlruhe und hatte keinen Kontakt zu meiner Familie (warum ? das steht auf einem anderen Blatt). 

Die Zeit war Scheisse, aber die beste Zeit meines Lebens, es gab nur mich und meinen Sohn und jeden Tag einen Berg neuer Probleme. Aber ich bin irgendwie durchgekommen. Für meine Krankheit hatte ich keine Zeit, ich hatte schlechte und gute Phasen aber ich habe nie die Kontrolle darüber losgelassen. Ich entwickelte Routinen und um so näher ich denen blieb um so stabiler blieb die Depression. Aber die Zeit hat mich Kraft gekostet, aber das wichtigste war für meinen Sohn da zu sein und ihm eine gute Mutter zu sein. Trotzdem wusste mein Sohn von Anfang an, dass seine Mama krank ist und manchmal einfach bestimmte Dinge nicht kann. Manachmal war es das aufstehen, manchmal das anziehen, manchmal das telefonieren oder das einkaufen. Aber irgendwie sind wir immer gut durchgekommen. Mein Sohn war mir immer Antrieb und oft hat es geholfen wenn er mich nur in dem Arm genommen hat und gefragt hat ? Mama heute kein guter Tag ? Gehen wir Blumen anschauen ? Mir hat es ungemein geholfen, wenn ich die kleinen wunderschönen Dinge angeschaut habe, der kleine Vogel auf dem Baum vor dem Haus, oder das Gänseblümchen dass sich im Rasen gezeigt hat oder das Lächeln von meinem Sohn um wieder weiter machen zu können. Aber es liegt glaube ich auch an mir, ich war schon immer gut im kämpfen und durchbeissen. Geht nicht oder kann ich nicht, gibt es nicht.

Irgendwann lernte ich meinen jetzigen Mann kennen und es wurde leichter, jemand der immer und uneingeschränkt hinter mir stand und mich liebte wie ich war und als wir uns kennen lernten war ich ganz am Boden, ich hatte nicht nur kein Geld, sondern auch eine absolut miese Wohnung, max. 2 Jeans und 1 Paar Schuhe. Ich war am Boden meines Lebens und griff nach dem Strohhalm zu einem neuen und besseren Leben. Schon allein dass ich erwählt wurde, war ein Zeichen dafür, dass mein Mann, ein Mann war der sich von Oberflächlichkeiten nicht blenden lässt. Er verliebt sich tatsächlich in mich als Mensch (ich muss zugeben, wir waren schon einmal ein Paar, das ist aber eine andere Geschichte) 

Ich fing wieder an zu arbeiten, mein Sohn war erst kurz im Kindergarten, somit war er versorgt. Ich zog dann auch recht schnell zu meinem neuen Partner.

Eins möchte ich noch sagen, Depressionen kann dir niemand abnehmen, das kannst nur du selbst, dein Partner kann dir bei deinen Routinen helfen, aber die Routinen musst du selber kennen und bei denen auch mitmachen. Übertrage nie die Verantwortung an einen dritten, das wird nicht klappen. Ein Therapeut hilft dir auch nur auf den richtigen Weg, aber gehen musst du selbst und wo ein Wille auch ein Weg.

Bei mir fügte sich alles zum guten, ich hatte gute Jahre und schlecht Jahre, ich wechselte von Therapeuten zu Coaches und nahm die Dinge selbst in die Hand. Denn mit dem Stempel in deiner Akte „Depressionen“ wird jeder Arztbesuch zur Herausforderung. Sie haben Kopfschmerzen, bestimmt vom Stress, wollen sie nicht doch wieder AntiDepressiva nehmen ?? Nein will ich nicht, ich will kein Roboter ohne Emotionen sein und auch keine Entzug mehr durchlaufen.

Aber auch hier, kann ich nur empfehlen, am Anfang ist es hilfreich sich auf die Medikamente einzulassen, man muss nur irgendwann selbst entscheiden was man für sich möchte.

Ich wollte es nicht ! Wieder Medikamente zu nehmen war für mich wie aufgeben. Aber der Tag des aufgebens kam. Über 15 Jahre Medikamenten frei und dann kam Corona. Ausnahmezustand für alle, aber für Menschen wie mich ein K.O. Kriterium, Flexibilität und jeden Tag Änderungen neue Anweisungen und die Menschen tragen Maske, keine einschätzen und fühlen mehr, keine Routinen mehr. Menschen die aufeinander losgehen, Verschwörungen, Ängste, Panik. Meine größte Angst vor dem Tod wurde zur Phobie und nicht mehr kontrollierbar, ich war im absoluten Ausnahmezustand und musste mich geschlagen geben. Ich musste aufgeben um mich und meine Familie zu schützen, 2 Jahre AntiDepressiva und heute wo ich wieder ohne Medikamente bin, fehlen mir auf der Emotionalen Ebene, 2 verdammte Jahre !!

Aber es ist so und es hat mich nochmal extrem verändert. Ich habe einen guten Umgang mit der Endlichkeit und dem Tod bekommen (hier wurde ich auch nochmal von einer Therapeutin begleitet) Ich bin ruhiger geworden, bin nicht mehr so im aussen, nehme mir mehr Zeit für mich, mache Yoga, meditiere und habe meinen Glauben in der Spiritualität gefunden. Ich bin heute der Mensch der ich schon immer sein wollte, ich bin stolz auf mich und egal wie hart es war, es hat mich zu dem gemacht was ich heute bin und ich würde wenn ich zurückblicke nichts anders machen, denn sonst wäre ich heute nicht der Mensch auf den ich mich 100% verlassen kann und ja ich bin anders und dass war ich schon immer.        

Viele dachten immer ich wäre arrogant, oberflächlich oder andere Dinge, aber ich hatte einfach Angst vor Menschen, vor dem Leben, vorm atmen, vorm Spass haben uvm. und somit möchte ich allen eins auf dem Weg geben, im Zeitalter von Social Media, nicht alles ist so wie es aussieht und oft hilft ein freundlicher Blick oder ein freundliches Wort und man erhascht die Wahrheit….

Ich bin nicht krank, ich bin nur besonders !!!!

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